Zwischenbericht Nr. 4

Liebe Spender:innen, liebe Unterstützer:innen, liebe Interessierte,

nun sind fast vier Monate seit Kriegsbeginn vergangen. Wir haben seitdem 12 Transporte voller medizinischer und humanitärer Hilfe durchgeführt, davon 9 Sattelschlepper (teilweise allein, teilweise ergänzend mit anderen Akteuren) und 3 große Transporter. Inzwischen haben wir seit Kriegsbeginn sage und schreibe 120.000 € an Spendengeldern ausgeben können – dank Ihrer und Eurer großzügiger Hilfen.

Wir versuchen alles, um gemeinsam beizutragen, die schlimmste Not an verschiedenen Orten in der Ukraine auf verschiedene Arten zu lindern. Unsere fast 13.000 Dosen Sonnen-Bassermann-Suppen wurden an Zivilisten sowohl in der Region Lviv (Freiwilligenküche am Bahnhof in Lviv, dort, wo die Geflüchteten ankommen) und Region Bels (kurz vor Polen) sowie Mykolayiv (100 km nördlich von Odessa) als auch bis an der Front an die Soldatinnen und Soldaten verteilt. Das gesamte medizinische Material wird nach Ankunft aus Hanau an einem bestimmten Übergabeort kurz vor der ukrainischen Grenze in Polen auf kleinere Transporter umgeladen und direkt in Kliniken in der noch erreichbaren Ukraine verteilt. Weiter unterstützen wir, soweit uns das möglich ist, das Christian Medical Center in Mukachevo, das als Poliklinik zunehmend auch Geflüchtete medizinisch – oft für diese kostenfrei – versorgt.

Das Medical Center arbeitet eng vernetzt mit z.B. dem Städtischen Krankenhaus in Mukachevo, dem Garnisonskrankenhaus in Mukachevo und der Universitätsklinik im 45 km entfernten Uzhgorod zusammen. Weiter gibt es einen gut digital vernetzen Verbund von ca. 200 Kliniken in der gesamten Ukraine. Wenn eine Klinik etwas dringend benötigt und eine andere davon abgeben kann, senden sich die Kliniken die Güter gegenseitig zu.

So sind z.B. zwei Päckchen mit Spritzennadeln Ue 100 Stück) aus meiner Praxis in die Uniklinik nach Lviv geschickt worden. 100 Nadeln mit dem kleinen Durchmesser wurden in der Kinderonkologie der Uniklinik eingesetzt und die weiteren 100 größeren Nadeln haben sich die Gynäkologie und die Traumatologie geteilt. Kosten für 100 Nadeln liegen bei uns 2,50€! Der Chefarzt der Kinderonkologie aus Lviv hat über das Medical Center um weitere Nadeln gebeten und wir konnten ihnen zwei große Kartons spontan senden! Auch haben sie auf einem Foto unsere Arztkoffer gesehen – und um zwei Stück gebeten! Das sind die kleinen Geschichten, die wir immer wieder hören und die uns als Helfern die Kraft geben, dies alles neben unserem, normalen Berufsalltag und unserem Leben zu bewältigen!

Wir haben unsere Freunde in Transkarpathien – nur 50 km von Ost-Ungarn – und damit der EU-Außengrenze entfernt – gebeten, uns ein Bild ihres jetzigen Lebens zu schildern:

Allgemeine Situation

► Anfangs bestand ein völliges Chaos, inzwischen erleben alle die zunehmende Angst und Unsicherheit durch die spürbare Bedrohung. Was bringen die nächsten Stunden, Tage?Die Häuser werden nicht mehr repariert, die Felder bleiben unbestellt, niemand macht Pläne für den Sommer, kaum noch Menschen auf den Straßen, nur noch, wenn überhaupt, wenige Frauen und Kinder – es wirkt so, als sei das Leben gestoppt!

► Das größte und zunehmende Problem ist der Mangel an Benzin und Diesel. Das paralysiert das gesamte Leben und lässt die rasch steigenden Preise weiter steigen!

► Der Busverkehr wird weiter eingeschränkt, was dazu führt, dass die Menschen nicht mehr oder nur mit großen Schwierigkeiten zur Arbeit z.B. ins Medical Center kommen können. Und so können auch Patienten nur noch schwer Arztbesuche in der Stadt wahrnehmen!

► Der Bahnverkehr als eines der Hauptverkehrsmittel der Ukraine ist nicht mehr planbar. Entweder Verspätungen von mehreren Stunden oder komplette Zugausfälle.

► Die örtliche Markthalle ist Gott sei Dank wieder geöffnet. Das ist eine große Chance für die Menschen sich mit dem Wichtigsten zu noch bezahlbaren Preisen zu versorgen und der Tauschhandel von Waren funktioniert lebhaft.

► Die Geschäfte sind grundsätzlich geöffnet, müssen aber bei jedem der häufigen Luftalarme schließen. Im Wesentlichen sind noch Lebensmitteigeschäfte geöffnet und einige wenige andere Geschäfte. Aber die Menschen sparen, wo sie können, und geben nur für das Wichtigste noch Geld aus. Die info@medizinhilfe.com Geschäfte sind viel leerer und die Preise explodieren, aber noch ist aktuell genug Essen da. (Anmerkung: viele haben Geflüchtete aufgenommen und bereits ihre Vorräte mit diesen geteilt, sodass bereits die Vorräte knapp sind!)

► Die Apotheken sind geöffnet, weil sie sehr gut aktuell verdienen. Normale Medikamente können gekauft werden, aber alle besonderen Medikamente wie z.B. Antibiotika für schwerere Erkrankungen/ Wunden sind kaum noch erhältlich. In den letzten Jahren hatte der Staat die Kosten für bestimmte Medikamente (z.B. Diabetes oder Krebs) übernommen, das ist nun fast aufgehoben. Die Kranken müssen auch diese Medikamente nun selber kaufen – oder wahrscheinlich in den meisten Fällen darauf verzichten.

► Die Banken funktionieren noch, aber auch hier unterbrochen von den Fliegeralarmen. Aber es wird immer schwieriger Überweisungen zu tätigen, auch das Zahlen der Löhne wird komplizierter! Und was morgen ist, weiß keiner! Man kann auch keine Hrivna in eine andere Währung tauschen! Das erklärt auch die Armut und Not vieler Geflüchteter!

► Die Inflationsrate ist nicht kalkulierbar, liegt aber oberhalb von 20%.

► Die Kriminalität scheint geringer, es gibt weniger Überfälle und Einbrüche.

► Die Kindergärten, Schulen und Universitäten sind seit CoVid weitgehend geschlossen, sollen im September wieder öffnen. Aber nur, wenn diese Einrichtungen einen Schutz der Dächer vor Bomben haben!

► In Transkarpathien leben normalerweise 1,2 Millionen Menschen. Aktuell sind es 400.000 mehr und täglich kommen Tausende dazu und wandern weiter Richtung Westen. In den letzten Wochen sind auch einige zurückgekehrt und warten jetzt in Transkarpathien, wie es weiter geht. Natürlich müssen alle diese Menschen (Frauen und Kinder, wenige Ältere) z. B. mit Unterkunft und Lebensmitteln versorgt werden!

► Als Ärztin habe ich nach CoVid und TBC gefragt – beides aktuell kein großes Problem.

Und nun zum Krieg:


► Die Soldatinnen und Soldaten des Bataillons, das in Mukachevo stationiert ist (und von dem ich in den über 25 Jahren meiner Besuche nie etwas mitbekommen habe), sind jetzt an der Front. Dies betrifft auch Familienangehörige und Freunde des Teams des Medical Centers. Wie jede/r in der Stadt versucht man ihnen so gut wie möglich zu helfen. Alle haben sich beteiligt und die ev. Kirchengemeinde, zu der das Medical Center gehört, hat Betten, Matratzen, Verbandmaterial und Medikamente gegeben. Es scheint so zu sein, dass langsam die Unterstützung an der Front von staatlicher Seite besser wird.

► In allen Krankenhäusern der Ukraine werden sowohl Soldaten als auch Zivilisten behandelt – alle mit der gleichen Priorität.

► Aus Sicht der Chefärzte des Medical Center ist die Unterstützung für die Soldaten an der Front am schwierigsten und wenn man dort helfen kann, sollte man es tun!

Fazit: Unsere Hilfe, die sowohl die Zivilisten als auch im deutlich geringeren Umfang die Soldaten betrifft, war so richtig und sollte unbedingt weiter fortgeführt werden. Mit Ihrer und Eurer Unterstützung werden wir auch weiter versuchen, diesen Weg weiter zu gehen.

Im Namen aller Beteiligten – auch aus der Ukraine – ein herzliches Dankeschön!

Martina Scheufler, Leitung Medizinhilfe
Bitte immer die Adressen für die Spendenquittungen auf den Überweisungen angeben.

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