Zwischenbericht Nr. 9, Ostern 2024
Liebe Helferinnen, Helfer und Unterstützende unserer medizinischen Hilfe für die Ukraine, liebe Freunde, verehrte Interessierte,
in den ersten drei Monaten dieses Jahres ist sehr viel passiert. Jedes Projekt vollumfänglich zu beschreiben, würde den gewohnten Umfang eines solchen Berichts um ein Vielfaches erweitern. Wir haben uns jedoch für maximal zwei Seiten Osterbericht entschieden.
Die intensiven Aktivitäten starteten am 28. Januar mit der Abholung eines großen OP-Mikroskops der Firma Zeiss nahe Ulm. Dieses mit externer Stromversorgung ausgestattete Gerät bestimmten wir für die Uniklinik Charkiv. Am 2./3. Februar folgte der Abbau einer kompletten Zahnarztpraxis in der Eifel. Dafür machten sich Christiane Grafe, Martin Weindel, Manfred Matzner, Wolfgang Fehlauer, Reinhold Brodt, Klaus Bracker, Andreas Thienert und Ahmad Almoshrif aus Syrien auf den Weg. Drei Leute holten bereits einen Abend zuvor alles aus dem Praxislager im Keller nach oben, damit der LKW am nächsten Morgen schneller beladen werden konnte. Abzubauen bzw. auszuräumen waren Wartezimmer und Labor, zwei Behandlungsräume, Röntgen mit Dunkelkammer, Anmeldung und Umkleide. Dazu kamen Deckenlampen, alles an Instrumenten, Waschbecken und Armaturen. In einem 7,5-Tonner brachten wir all dies nach Hanau.
Am 16. Februar holten wir einen 70 kg schweren gynäkologischen Untersuchungsstuhl in Hanau und zwei OP-Lampen ab. Der Stuhl war zwei Stockwerke hinunter – und in unseren LKW hineinzutragen. Von dort wurde er zur Spedition Hellmann gefahren. Am gleichen Tag bauten wir eine komplette hausärztliche Gemeinschaftspraxis in Mömlingen (Landkreis Miltenberg) ab – für die Uniklinik Charkiv. Neben Medizintechnik (z. B. Sterilisator, Zentrifuge, EKG), umfangreichem Mobiliar und Computerhardware durften wir u. a. Kittel und reichlich Verbandmaterial mitnehmen.
Am 5. März startete der 7,5 Tonnen schwere Sattelschlepper voller hochwertiger medizinischer Güter (Nr. 26 seit Februar 2022) von Hanau nach Charkiv, die Ankunft dort war am 15. März. Inhalt neben den bereits erwähnten Hilfsgütern: drei Intensiv-Klinikbetten, drei Untersuchungsliegen, ein zahnärztlicher Behandlungsstuhl mit Reinigungsmaschine, Material für Kronen etc., eine Augenarzt-Untersuchungseinheit, reichlich chirurgische Instrumente für verschiedene Fachrichtungen, Orthesen, Verbandmaterial etc. Unsere Lager waren danach leer. Die koordinierende ärztliche Universitäts- Dozentin Dr. med. Nataliya Bobrovska ist hellauf begeistert, welche Hilfe wir der Klinik mit diesem Transport zugute haben kommen lassen. Wir konnten so schnell helfen, Leben zu retten und Leid zu mindern.
Während der Vorbereitungen des Charkiv-Transportes war uns von WithU Stuttgart e.V. völlig überraschend die Ausstattung des Rot-Kreuz-Krankenhauses in Stuttgart angeboten worden. Zur ersten Sichtung – auch weil wir es kaum glauben konnten – fuhren wir kurz entschlossen zu dritt Ende Februar in die seit Dezember 2023 geschlossene Klinik. Anfang März reisten wir mit neun Aktiven, einem 3,5-Tonner und zwei Bussen an, um z.B. Lampen zu demontieren, Kisten zu packen mit Verbrauchsmaterial etc., Infusionen, Verbandmaterial, Sprechstunden-bedarf etc. sowie die ausgesuchten Möbel und Geräte für die professionelle Abholung zusammenzustellen. Einige besondere Güter wie einen Reader- ein Lesegerät für Röntgenbilder- und ein mobiles Röntgengerät („Giraffe“ von Siemens – ein rares Geschenk) sowie große Mengen an Einmalartikeln nahmen wir direkt mit. Nur drei Tage später holte ein kleines Umzugsunternehmen in unserem Auftrag mit einem 7,5-Tonnen-LKW in Stuttgart eine weitere Fuhre ab und brachte alles nach Hanau in unser Lager – Material für fast den nächsten kompletten weiteren Transport.
Am 12. März wurde die Klinik dann von Michael Kröger (michael@direkthilfe-ukraine.com) – einem Partner, mit dem wir gut zusammenarbeiten – weitgehend ausgeräumt. Wir hatten ihn darum gebeten, da das Volumen der sehr gut erhaltenen Sachspenden unsere Kapazitäten völlig überforderte. Michael lud 21 Krankenhausbetten samt Nachttischen, Pflegemöbel, ca. 70 Bildschirme, Tische, Stuhlsets, 4 Bereitschaftszimmer, 30 Ärzte-PCs, OP-Leuchten und Behandlungsbetten, zehn Medikamentenkühlschränke, ca. 40 Schränke und weiteres Mobiliar auf seinen Sattelschlepper mit 9,5 Tonnen Ladegewicht und fuhr ihn (Transport Nr. 27 – Finanzen und Zollorganisation durch uns) direkt von Stuttgart nach Kyjiw in ein bewachtes Lager. Dort ist die Ladung bereits gut angekommen. Nach Ostern wird die Umverteilung in verschiedene Kliniken durchgeführt – auch im Frontbereichen wie Charkiv, Cherson und Odessa. Der Transport enthielt zudem reichlich Material für den Aufbau eines Reha-Zentrums für 200 Kinder in Tscherkassy, ca. 150 km südlich von Kyjiw.
Am 22. März bezogen wir in Hanau einen dritten dauerhaften Lagerkeller – hier noch mal ein großes Dankeschön an die Unterstützung durch die Hanauer Parkhaus-Gesellschaft. Normalerweise registrieren wir die Hilfsgüter beim Beladen direkt. Doch die Güter aus Stuttgart wurden nicht von uns verpackt. Vorab wussten wir nicht, wieviel Material in den LKW passt (einiges musste leider dableiben). Wir erledigten diese Aufgabe dann in Hanau nachträglich, weil es uns im Sinne der Transparenz und Nachvollziehbarkeit wichtig ist zu wissen, welche Hilfsgüter wir an welchen Empfänger senden. Weiter bereiteten wir bei der Gelegenheit den nächsten großen Transport vor, wobei wir den Empfänger noch nicht festgelegt haben.
Abschließend seien drei weitere Aktivitäten erwähnt, allem voran unsere aktive Teilnahme an einem Sternstundengottesdienst in der Evangelischen Dreifaltigkeitskirche in Kassel. Diese Gottesdiente finden nur in der dunklen Jahreszeit statt und sind jeweils besonders gestaltet. Wir waren am 11. Februar zu Gast. Unter dem Motto „Mutig und stark – leidenschaftlich hoffen!“ standen vier Erfahrungsberichte im Mittelpunkt. Einen davon durfte ich beitragen als „Mutmacher“ scheinbar unmöglicher Dinge. Am 24. Februar nahm ich bei der Mahnwache anlässlich des Kriegsbeginns in der Ukraine teil, die in Maintal-Dörnigheim durchgeführt wurde. Dort informierte ich gemeinsam mit der Maintaler Bürgermeisterin Monika Böttcher über unser Engagement. Am 10. März sprach ich darüber hinaus im Solidaritäts-Café in Gelnhausen, das von den Engagierten der Altstadt-Mahnwache und der Evangelischen Kirchengemeinde Marienkirche Gelnhausen im Romanischen Haus eingerichtet wurde.
Vom 12. bis 17. April wird eine kleine Gruppe in das Christian Medical Center nach Mukachevo fahren. Bei dem Besuch im Städtischen Krankenhaus mit dem jungen Chefarzt Jevgen Meskho werden wir hoffentlich viele unserer Hilfsgüter aus dem St. Katharinen-Krankenhaus in Frankfurt und dem ehemaligen OP-Trakt des St. Vinzenz-Krankenhauses im Einsatz sehen können. Wir sind gespannt und werden weiter berichten.
Mittlerweile befinden wir uns im dritten Jahr seit Kriegsbeginn. Dank der großzügigen Spenden und Schenkungen konnten wir in dieser Zeit sehr viel Medizinhilfe leisten. Wir danken Ihnen und Euch allen sehr herzlich für Engagement, Mitdenken und Mitfühlen, dies auch im Namen der Empfängerinnen und Empfänger in der Ukraine. Erzählt weiter von unserer Arbeit, bleibt an unserer Seite.
Wir wünschen allen eine gesegnete Osterzeit.
Martina Scheufler im Namen des Leitungsteams der Medizinhilfe